Erinnerungen an Jürgen Hansen
von Carl Haenlein

Die Wiedereröffnung im Jahr 1945 verdankt die Kestner Gesellschaft an entscheidender Stelle dem einzigartigen, mäzenatischen Engagement großer Hannoveraner Unternehmerfamilien wie den Bahlsens, Beindorffs, Stichwehs und Sprengels. Meist waren es die Unternehmer selbst, die sich in den Vorstand des Institutes einbrachten oder ein prominentes Mitglied aus dem Vorstand delegierten.


So war Jürgen Hansen – als Vorstandsvorsitzender der Pelikan AG nach Hannover gekommen – von 1978 bis 1985 Mitglied des Vorstandes der Kestner Gesellschaft. Als Kaufmann hanseatischer Prägung, war sein intellektuelles Interesse umfassend. Er war ein Freund der Musik, der Literatur und der bildenden Kunst, der zeitgenössischen vor allem. Mit seiner Frau Dorothea führte er ein offenes, gastliches Haus.


Ein Glück für die Kestner Gesellschaft, wie sich herausstellen sollte. Denn meine permanenten Sorgen um das Budget des Hauses, die meinem Elan oft Grenzen zu setzen drohten, begegnete er mit der damals bei weitem noch nicht populären Idee, einen Förderkreis zu gründen. Erst viel später sollte das Schule machen. Die Nationalgalerie in Berlin hatte damals einen und die Kunsthalle NRW hatte einen, sehr exklusiv, sehr ambitioniert. Daran orientierten wir uns: Die Mitgliedschaft kostete stolze 1000,– DM jährlich – wir schrieben das Jahr 1979!


Unter anderem wurden geboten:


Die Kunstreisen – mit Engagement und Freude daran selbst entworfen und organisiert. Die erste setzte Massstäbe und ist mir lebhaft in Erinnerung: Sie führte uns nach London/Hotel Savoy, mit Latenight Führung durch die Royal Academy nur für uns, Besuch der White Chapel Gallery mit Dinner, das der Künstler Peter Blake für uns ausrichtete, udm.


Die jährlichen Dîners des Beaux Arts: elegante Fundraising-Ereignisse zu Ehren eines oder mehrerer Künstler. Sie fanden alsbald immer in einer laufenden Ausstellung statt und erhielten so ihr besonderes Flair. Noch präsent sind mir Sol Lewitts beeindruckende Fresken, die er für die Kestner Gesellschaft (noch in der Warmbüchenstraße) entworfen hatte. Sie bildeten einen großartigen Prospekt.


Freier Eintritt zu den bedeutenden Museen der Welt: Stedelijk Amsterdam, Prado Madrid, Moma NY, National Galerie Berlin etc.; die Liste wurde schnell länger.


Und dann die wunderbaren Sonntagsmatineen, für die Jürgen und Dorothea Hansen ihr schönes Haus in Kirchrode öffneten. Wer eingeladen und noch nicht Mitglied im Förderkreis war, wußte, dass ein Scheck bald fällig würde. Wer diesen Appell etwa nicht verstanden hatte, bekam schon mal einen Anruf oder, wenn es sein mußte, auch einen zweiten, aus dem Headquarter von Pelikan – Jürgen Hansens eindrucksvolle Stimme schwingt noch in meinem Kopf: tief, zuverlässig, mit dem rollenden ,R‘, wie es Menschen von der Küste eigen ist.


Jürgen Hansen war ein wahrer Freund der Kunst, großzügig, engagiert, integer, mutig. Er wurde mein Freund. Er starb kurz nach seinem 90sten Geburtstag am 16. Mai 2022.


Die Kestner Gesellschaft hat ihm viel zu verdanken.