Ausstellungen 2021

Liebe Mitglieder des Förderkreises,

lassen Sie mich Ihnen heute einen leicht modifizierten Vorschlag für das Ausstellungsprogramm 2021 der Kestner Gesellschaft vorstellen. Diese neue Version berücksichtigt die Herausforderungen, die die Corona-Pandemie mit sich brachte, ebenso wie die noch unklare Situation bezüglich der möglichen Wiedereröffnung unseres Hauses.

Die aktuelle Ausstellung Kunst ⇆ Handwerk haben wir bis Ende Februar verlängert (sie sollte eigentlich am 10. Januar enden), auch in der Hoffnung, sie Ihnen, liebe Förderkreismitglieder, zugänglich zu machen. Diese Änderung beeinflusste den Zeitplan für das gesamte Jahr 2021: sämtliche folgenden Ausstellungen mussten verschoben werden. Aufgrund dieser Tatsache (und um jeder Ausstellung eine angemessene Dauer zu sichern), werde ich das gesamte Jahresprogramm aus zwei starken Ausstellungsslots zusammenstellen.

ERSTER AUSSTELLUNGS-SLOT:

Freitag,16. April 2021 – Preview
Samstag, 17. April 2021 – Eröffnung
Laufzeit: 18. April bis 8. August 2021

Der erste Ausstellungsslot konzentriert sich fast ausschließlich auf die künstlerische Produktion von Künstlerinnen und konfrontiert verschiedene Generationen: Camille Henrot (geb. 1978, Frankreich, lebt in Berlin) und Susan Hiller (1940, USA – 2019, UK), neben Sharon Lockhart (geb. 1964, USA, lebt in LA) und Moyra Davey (geb. 1958, Kanada, lebt in NYC) sowie Diamanda Galás (geb. 1955, USA, lebt in San Diego).

Camille Henrot NOT CLEAN YET

Kuratorin: Julika Bosch


In ihren Skulpturen, Zeichnungen und Gemälden sowie in ihren Film- und Videoanimationen untersucht Camille Henrot – Gewinnerin des prestigeträchtigen Silbernen Löwen auf der Biennale Venedig 2013 – Wissenssysteme und die Darstellung von unterschiedlichen Kulturen und Orten im Laufe der Kunstgeschichte. Wie können wir einen Weg finden, um Ordnung in das Chaos unseres Lebens zu bringen? Wie können wir der sich wiederholenden Natur unserer täglichen Routine einen Sinn geben? Und wie positionieren wir uns in Bezug auf gesellschaftliche und persönliche Erwartungen? Henrot untersucht ihre, und damit auch unsere, Beziehungen zu Liebe, Schuld, Transformation und Produktivität zwischen den Polen von Chaos und geordneten Kategorien.

Die Ausstellung zeigt aktuelle Gemälde, die während der Zeit von Corona entstanden sind. Die Werke spiegeln einerseits die Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem Klimawandel und andererseits das Thema Mutterschaft als neue Erfahrung im Leben der Künstlerin wider. Ergänzt wird sie durch die Deutschlandpremiere der großformatigen Gipsfresken und einer neuen, eigens für die Kestner Gesellschaft entwickelten Skulptur, die in der Kunstgieserei St. Gallen produziert wurde.

Die Ausstellung von Camille Henrot wird von einem 200-seitigen Katalog begleitet, der neben reichem Bildmaterial neue Essays von Autoren wie dem deutschen Philosophen Marcus Steinweg, der kanadischen Kunstkritikerin und Wissenschaftlerin Emily LaBarge und der amerikanischen Kuratorin und Autorin Legacy Russell enthält. Ergänzt wird er durch ein Gespräch zwischen der Künstlerin und der Kuratorin Julika Bosch mit einer Einführung durch den Direktor der Kestner Gesellschaft, Faithfully Yours Adam Budak. Ich bin auch stolz darauf, dass die Ausstellung von Camille Henrot auch im Salzburger Kunstverein zu sehen sein wird.

Während sich Camille Henrot auf die vorsprachlichen Momente der Identitätsbildung konzentriert, untersucht Susan Hiller die Bedeutung der Sprache für die Konstruktion von Subjektivität.


Susan Hiller LOST AND FOUND
Kuratorin: Lea Altner

LOST AND FOUND (2016) ist eine der letzten Arbeiten von Susan Hiller, die oft als Künstler-Archäologin bezeichnet wird. Sie wurde auf der documenta 14 in Kassel, 2016, präsentiert. In der Sound- und Videoarbeit beschäftigt sich Susan Hiller mit Sprache als Element der Wissensproduktion: Verschiedene Stimmen erzählen Geschichten in verschiedenen Sprachen, die unter anderem aufgrund ethnischer Marginalisierung ausgestorben oder vom Aussterben bedroht sind. Der Inhalt des Gesprochenen wird durch Untertitel und die Darstellung von Tonhöhen visuell vermittelt. Die wissenschaftliche Darstellung, die an anthropologische Forschung erinnert, steht in starkem Kontrast zu den Emotionen, die akustisch durch die Stimmen der Sprecher vermittelt werden. Susan Hiller fokussiert damit die subjektive Dimension der Wissensproduktion, ein Thema, das sie in vielen ihrer Arbeiten behandelt hat.

Die Ausstellungen von Camille Henrot und Susan Hiller werden von einem reichhaltigen Programm an diskursiven Veranstaltungen (Bildung, Vermittlung und öffentliche Programme) begleitet. Dieses Programm wird noch fertiggestellt und die Details werden bald bekannt gegeben.

Zusätzlich: diese beiden Hauptausstellungen werden durch drei neue Formate bereichert: ein Fassadenprojekt, einen Projektraum sowie eine Eröffnungsperformance.


FASSADENPROJEKT
Kurz vor Weihnachten letzten Jahres eröffnete die Kestner Gesellschaft eine neue Form der Präsentation, die die Fassade des Gebäudes als Ausstellungsraum berücksichtigt. Das poetische Projekt DAS PUBLIKUM IST MEIN KÖRPER des italienischen Künstlers Marcello Maloberti sendet die Botschaft der Institution an ihr Publikum und drückt die Sehnsucht nach einer Kommunikation und Beziehung aus, die momentan durch die herausfordernden Zeiten von COVID-19 unterbrochen wird. Mit THE FUTURE SHOULD ALWAYS BE BETTER der amerikanischen Künstlerin Sharon Lockhart setzen wir den Dialog mit unserem Publikum fort.

Sharon Lockhart THE FUTURE SHOULD ALWAYS BE BETTER
Neonschrift, 2021

Sharon Lockhart bespielt die Fassade der Kestner Gesellschaft mit einem leuchtenden Neon-Schriftzug „The Future Should Always Be Better“. Das Statement ragt auf dem Dach wie ein Werbeslogan über dem Goseriedeplatz. In Zeiten der Corona-Pandemie erscheint der Slogan hochaktuell, gleichzeitig thematisiert die Künstlerin eine allgemeingültige gesellschaftliche Erwartungshaltung von einer besseren Zukunft. Sharon Lockhart setzt sich in ihrem konzeptuellen Arbeiten mit sozialen Themen auseinander. Die für ihre Filme und Fotografien international bekannte Künstlerin wendet sich mit der Installation für die Kestner Gesellschaft erstmals einem neuem Medium zu: der Neon-Leuchtschrift.

PROJEKTRAUM (HALLE 5)
Die Einweihung des sogenannten Projektraums korrespondiert mit einem fortlaufenden Überdenken der Nutzung verschiedener Ausstellungs- und Nicht-Ausstellungsräume im Gebäude der Kestner Gesellschaft. Er spiegelt auch den Wunsch wider, das Angebot für das Publikum zu erhöhen, indem man ihm ein Ausstellungsangebot unterbreitet, das impulsiver, low-budget und mehr mit dem Hier und Jetzt verbunden ist. Der Projektraum ist also eine offene Form, die zum Experimentieren und zur Spontaneität einlädt.


Moyra Davey MY SAINTS
HD-Video mit Ton, 30 Minuten, 2014

Die Filme der kanadischen Künstlerin Moyra Davey bestehen aus lose zusammenhängenden, bewegten Bildern und enthalten persönliche Erzählungen, die fast wie ein innerer Monolog funktionieren. Indem sie ihre eigenen Erfahrungen mit denen bekannter Künstler, Schriftsteller und Philosophen vermischt, sind Daveys Filme Reflexionen über die Natur der Existenz, des Denkens und des menschlichen Daseins. Daveys Film „My Saints“ (2014), in dem die Künstlerin Freunde und Familie bittet, auf eine Passage aus „The Thief’s Journal“ zu antworten, dem radikalen, semi-autobiografischen Roman des französischen Schriftstellers Jean Genet, der das Schreiben als einen Akt der Selbstschöpfung positioniert. Die Menschen, die Davey nahe stehen, sprechen offen und mit Leichtigkeit aus dem warmen häuslichen Interieur – Daveys vertrautes Arbeitsfeld – über ihre eigenen Erfahrungen von Täuschung und Verrat. „My Saints“ spiegelt das anhaltende Interesse der Künstlerin an der Schnittstelle zwischen literarischen und persönlichen Biografien wider und ist eine subtile Meditation über Literatur als Vehikel zur Untersuchung der Erzählung des eigenen Lebens.

„My Saints“ wird von dem Buch „Burn the Diaries“ begleitet (ebenfalls in der Ausstellung zu sehen). Daveys Text ist eine Zusammenstellung von Passagen aus ihren Tagebüchern, die den Leser durch Daveys Erfahrung beim Lesen von Jean Genets Worten führen – über die Freuden und Mühen des Lesens, ein Buch in der Hand zu halten, den Stift in die Hand zu nehmen und zu Papier zu bringen – und die verschiedenen Permutationen eines Geistes, wenn er herausfindet, worüber genau er schreiben soll.


PERFORMANCE CHAPEL @ NIKOLAIKAPELLE

Performance Chapel – geplant in der ehemaligen Nikolaikapelle, die sich gegenüber der Kestner Gesellschaft befindet – ist eine Veranstaltungsreihe unter freiem Himmel: Konzerte, Performances, Theater und Musik, gemeinschaftsorientierte, partizipative und ortsspezifische Projekte, Film- und Videovorführungen, Dichterlesungen, Vorträge, Podiumsdiskussionen, die in einem eigenen Rhythmus durchgeführt werden. Die Einzigartigkeit der Architektur in der Ruine und der entsprechende historische Bezug machen diesen Ort besonders attraktiv für ein solches Veranstaltungsprogramm. Die Nikolaikapelle wurde zwischen 1250 und 1284 als ‘capella leprosorum’ erbaut. Der Chor entstand um 1325. Sie wurde mehrfach umgebaut und bis 1914 war sie Kirche der englischen Gemeinde. 1943 wurde sie zerstört. Der Chor ist heute das älteste Bauwerk in Hannover.


Diamanda Galás
Eröffnungsabend
Kurator: Robert Knoke

Als eine der größten amerikanischen Performance-Künstlerinnen erforscht Experimental-Sängerin Diamanda Galás (*1955, San Diego, Kalifornien, USA) die größten Bedrohungen der Menschheit, unter anderem beschäftigt sie sich mit den Themen AIDS, psychische Krankheiten und gesellschaftliche Missstände. Die „Callas der Avantgarde“, die ihre klassisch ausgebildete Stimme wie ein Instrument benutzt, arbeitete bereits mit verschiedenen Regisseuren zusammen, unter anderem ist sie in Francis Ford Coppolas Dracula-Film „Bram Stoker’s Dracula“ und Oliver Stones „Natural Born Killers“ zu hören. 


100 JAHRE JOSEPH BEUYS

Susan Hiller FIRST AID: HOMAGE TO JOSEPH BEUYS
Über 40 Jahre lang sammelte Susan Hiller Weihwasser von heiligen Stätten auf der ganzen Welt und stellte ihre Proben in Glasflaschen in antiken mit Filz ausgekleideten Medizinschränken aus: eine Hom- mage an Beuys.

Außerdem bereiten wir eine Reihe von Veranstaltungen vor, um den 100. Geburtstag von Joseph Beuys am 12. Mai zu feiern. Als einer der größten deutschen Künstler wurde Beuys in zwei großen Einzelausstellungen in der Kestner Gesellschaft ausgestellt: 1975 und 1990. Eine Sonderpräsentation wird an diese beiden herausragenden Ausstellungen erinnern. Ich bin besonders stolz darauf, dass wir die bemerkenswerte Arbeit von Susan Hiller, „First Aid: Hommage to Joseph Beuys“ (1969-2016), präsentieren können.

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